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Unweit im Süden Berlins liegt die kleine Gemeinde Wünsdorf. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren hier bis zu 70.000 Rotarmisten, nicht in rot, sondern in verblichenen, olivgrünen Verkleidungen stationiert. Es war die größte sowjetische Militäreinrichtung außerhalb der UdSSR. Als die Sowjets 1994 abzogen, hinterließen sie ein riesiges gespenstisches Militärareal, was bis heute dem Verfall, der Plünderung und Zerstörung ausgesetzt ist.

Ein Rundgang in den Gebäuden verhilft mir zu einem Gefühl für die historische Bedeutung dieser immensen Militäranlage. Die Entwicklung Wünsdorfs zu einem bedeutenden Militärstandort geht bis in die Kaiserzeit zurück. Im Jahre 1910 wurde das erste Militärgebäude errichtet. Das sogenannte „Halbmondlager“ wurde im Ersten Weltkrieg als Ort für ca.30.000 muslimische Kriegsgefangene der britischen und französischen Armee genutzt, um dort Araber, Inder und Afrikaner unterzubringen.

Über die Jahre wurde der Standort Wünsdorf ständig erweitert. Während des Nationalsozialismus wurden riesige Bunkeranlagen erbaut. Von 1939 bis 1945 war dann in Wünsdorf das Oberkommando des deutschen Heeres untergebracht.

Nach der Niederlage der Deutschen bezog das Oberkommando der UdSSR die Räumlichkeiten und erweiterte diese ebenfalls. Ein zu freundlicher Kontakt der Sowjets zur deutschen Bevölkerung war durch die Parteileitung strengstens untersagt. Das Treiben hinter in dem abgeriegelten Bereich sollte auf Grund seiner strategischen Bedeutung geheim bleiben. Der Volksmund nannte Wünsdorf schnell „ die verbotene Stadt“.

Gehe ich heute durch die gewaltige Militäranlage, so treffe ich immer wieder auf Relikte vergangener Zeit. Die vielen Wohnblocks, Fahrzeughallen, Versorgungsanlagen auch Vergnügungsräumlichkeiten, wie Theater und Kino, sind sehr beeindruckend.

Auch der Verfall der unterschiedlichen Sportanlagen, des Hallenbades und der Turnhallen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass hier einmal neben den militärischen Aktivitäten  gesellschaftliches Leben stattfand.. Das von der Natur zum Teil zurückeroberte Freibad versprüht heute ein ganz besonderes Flair. Hier sollen angeblich die Schwimmstars der Nationalmannschaft des Deutschen Reichs ihre Olympiavorbereitung für 1936 getätigt haben.

Was mich als Fotograf am meisten beeindruckt, ist, den Verfall der vergangenen Schönheit und diesen ganz besonderen morbiden Charme einzufangen. Die wenigen Lichtstrahlen, die auf ein wunderschönes Treppenhaus fallen, die tiefstehende Sonne im Frühjahr oder Herbst, die sich irgendwie einen Weg ins Innere bahnt, das sind die Momente, die ich für meine Bilder suche.

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• English text below •

Not far to the south of Berlin is the small community of Wünsdorf. After the Second World War, up to 70,000 Red Army soldiers were stationed here, not in red but in faded, olive-green disguises. It was the largest Soviet military facility outside of the USSR. When the Soviets withdrew in 1994, they left behind a huge, ghostly military area that is still subject to decay, looting and destruction.

A tour of the buildings helps me to get a feel for the historical significance of this immense military facility. The development of Wünsdorf into an important military location goes back to the imperial era. The first military building was erected in 1910. The so-called “Crescent Camp” was used during the First World War as a place for around 30,000 Muslim prisoners of war from the British and French armies to accommodate Arabs, Indians and Africans.

Over the years, the Wünsdorf location has been continuously expanded. Huge bunkers were built during National Socialism. From 1939 to 1945, the high command of the German army was housed in Wünsdorf.

After the defeat of the Germans, the High Command of the USSR moved into the premises and expanded them as well. A too friendly contact between the Soviets and the German population was strictly forbidden by the party leadership. The hustle and bustle behind in the cordoned off area should remain secret due to its strategic importance. The vernacular quickly called Wünsdorf “the forbidden city”.

When I walk through the huge military facility today, I keep coming across relics from bygone times. The many apartment blocks, vehicle hangars, supply facilities and entertainment rooms such as theaters and cinemas are very impressive.

The decay of the various sports facilities, the indoor swimming pool and the gyms, cannot hide the fact that social life once took place here alongside military activities. The outdoor swimming pool, which has been partially recaptured by nature, now exudes a very special flair. The swimming stars of the national team of the German Reich are said to have made their Olympic preparations for 1936 here.

What impresses me most as a photographer is capturing the decay of past beauty and this very special morbid charm. The few rays of light that fall on a beautiful staircase, the low sun in spring or autumn, which somehow makes its way into the interior, these are the moments I look for my pictures.

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