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„Ich wollt’ ich wär’ kein Huhn…“

Geflügelfleisch ist in Kalkutta, das heutige Kolkata, mit weit über 13 Millionen Einwohnern eine wichtige fleischliche Eiweißquelle, bietet aber auch vielen Menschen Arbeit und somit etwas Gelderwerb.

Die lebenden Tiere werden in flachen Bambuskörben, oder in den auch bei uns verwendeten Geflügeltransportkisten, aus dem Umland in die Stadt gebracht.Transportbehältnisse sowie Fahrzeuge werden nicht wie üblich, gründlich gereinigt und desinfiziert, um die Übertragung von ansteckenden Krankheitserregern zu vermeiden. Salmonellen, die ganz natürlich bei Geflügel vorkommen, aber auch Geflügelgrippeerreger, in der unterschiedlichsten Ausprägung, können sich ungehindert ausbreiten und stellen somit ein großes Risiko für Mensch und Tier dar.

Der Verkauf oder die Auktion des lebenden Geflügels finden in den dafür vorgesehenen Räumlichkeiten oder aber auch einfach nur auf der Straße statt. Preisverhandlung und Preisfindung gestalten sich in dem für Indien üblichen sehr emotionalen, lauten und wortreichen Rahmen. Nicht selten findet die finale Einigung kurz vor einer anstehenden Tätlichkeit ein versöhnliches Ende. Bis zu diesem Punkt können einzelne Tiere hierbei schon mal gewaltsam das Eigentumsverhältnis wechseln. Knochenbrüche an dem Geflügel, durch das Gezerre verursacht, werden mit einkalkuliert. Tierschutz gilt offensichtlich nicht für Schlachtgeflügel, wie ich im Laufe meines Besuchs immer wieder zur Kenntnis nehmen musste.

Der Transport des gebündelten Federviehs wird in unterschiedlicher Form durchgeführt. Das Tierwohl bleibt aber in jedem Fall auch hier unberücksichtigt. Als Beförderungsmittel ist fast alles recht, was es ermöglicht, größere Mengen noch lebender Tiere von A nach B zu bringen. Das zweckentfremdete Fahrrad oder die Rikscha sind wohl das häufigste Vehikel. Aber auch am Motorrad hängende oder in den Kofferraum eines Taxis geworfene Tiere habe ich häufig stirnrunzelnd und kopfschüttelnd bestaunt. Es benötigt nicht sehr viel Fantasie um zu begreifen, dass die im Fahrzeug unten liegenden Tiere den Druck über sich liegender Artgenossen nicht überleben können.

Nirgends war zu erkennen, dass transporttote Tiere ausgesondert werden. Auch eine amtstierärztliche Begutachtung der lebenden Tiere um diese Tiere für die menschliche Ernährung frei zu geben, konnte ich nirgends ausmachen. Beim späteren Schlachten fehlt diese wichtige, unabhängige Begutachtung durch einen Tierarzt, um zum Bespiel kranke Tiere zu verwerfen, völlig. Ein Tier, das wie ein Huhn aussieht, wird offensichtlich zu Fleisch verarbeitet, ungeachtet dessen, ob es krank oder bereits tot ist.

Von mir aufgesuchte Schlachtungen, auch wenn kein Industriestandard als Vergleich herangezogen werden darf, lassen Tierschutz oder Hygienegrundsätzliches vermissen. Auch scheint es kein einheitliches Zerlegeprinzip zu geben. Es macht auf den Betrachter den Eindruck, wie die jeweilige Person an das Fleisch kommt, ist letztendlich ihr überlassen.

Ein großer Teil der Arbeiten wird auf dem Fußboden durchgeführt, mitunter auch auf dem Gehweg direkt neben dem fließenden Verkehr. Verwendete Räumlichkeiten sind klein, beengt ungenügend ausgeleuchtet und häufig auch einfach nur dunkel. Geschlachtete Tierkörper werden schlachtwarm und in großer Zahl übereinander gelagert. Blut, Federn, Innereien und andere Schlachtnebenprodukte in einem bunten Durcheinander, das ist fast immer das anzutreffende Bild. Mit der Schlachtung beschäftigte Mitarbeiter sind nicht selten barfüßig, allenfalls tragen sie Flipflops. Arbeitskleidung besteht oft nur aus einem Lendentuch und trägt keinesfalls dazu bei, etwas Hygiene in das ganze Geschehen zu bringen.

Bei uns übliche Schutzkleidung inklusive geeigneter Kopfbedeckung habe ich sicher nicht erwarten können, aber ein Grundverständnis von Hygiene schon. Der Gang zur Toilette ist für die Beschäftigten häufig auf Grund fehlender WCs nicht möglich. Dies hat zur Folge, dass die unmittelbare Umgebung genutzt wird, um sein Notdurft zu erledigen. Händewaschen: Fehlanzeige!

Arbeitsbereiche werden nach dem Schlachten als Lebensraum und Schlafstätte genutzt, was ebenfalls dem Hygieneaspekt nicht zuträglich ist.

Die gesamte Verarbeitung findet unter Ausschluss jeglicher Kühlung statt. Eine sinnvollerweise vorgeschriebene Verarbeitungstemperatur von 4 Grad Celsius in Europa soll einen schnellen Anstieg der Verderbniserreger bremsen. Die Schlachttemperatur sowie die vorhandenen Außentemperaturen in Indien, von häufig auch über 30 Grad Celsius, stellen für diese Keime ideale Wachstumsbedingungen dar.

Zusammenfassend müssen sicher die Bereiche Tierschutz, Hygiene aber auch der Arbeitsschutz als sehr kritisch angesehen werden. Der Umweltschutz fehlt völlig, wenn es um das Stillen des Hungers der immensen Bevölkerungsanzahl geht.

Ich möchte das Vorgefundene nicht einfach kritisieren oder verurteilen, dafür geht die Dokumentation sicher nicht tief genug. Noch soll mit dem Finger auf die abgebildeten Personen und deren Handlungen gezeigt werden. Es ist die Aufgabe der indischen Politiker Sorge dafür zu tragen, dass Verhältnisse geschaffen werden, damit die Bevölkerung ausreichend mit sicheren Nahrungsmitteln versorgen werden kann.

Ich stelle mir, angesichts des Erlebten, erneut die Frage nach einer Ernährungsumstellung auf fleischlos.

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• English text below •

“I want‘ I am ‘not a chicken …”

Poultry meat is an important source of meat protein in Calcutta, today’s Kolkata, with well over 13 million inhabitants, but it also offers many people work and thus some money.

The live animals are brought into the city in flat bamboo baskets or in the poultry transport boxes we also use. Transport containers and vehicles are not thoroughly cleaned and disinfected as usual in order to avoid the transmission of contagious pathogens. Salmonella, which occurs naturally in poultry, but also avian influenza pathogens in the most varied of forms, can spread unhindered and thus pose a great risk to humans and animals.

The sale or auction of live poultry takes place in the designated premises or simply on the street. Price negotiations and pricing take place in the very emotional, loud and verbose framework that is usual for India. It is not uncommon for the final agreement to come to a conciliatory end shortly before an impending assault. Up to this point, individual animals can forcibly change ownership. Broken bones in the poultry caused by the dragging are factored in. Animal welfare obviously does not apply to poultry for slaughter, as I had to take note again and again during my visit.

The bundled poultry are transported in different ways. In any case, animal welfare is not taken into account here either. As a means of transport, almost anything that makes it possible to bring large numbers of still living animals from A to B is acceptable. The misused bicycle or the rickshaw are probably the most common vehicles. But I also often gazed at animals hanging on a motorcycle or thrown into the trunk of a taxi, frowning and shaking my head. It doesn’t take a lot of imagination to understand that the animals lying below in the vehicle cannot survive the pressure of conspecifics lying above them.

Nowhere was it to be seen that animals that had died during transport were separated out. Even an official veterinary assessment of the living animals in order to give these animals free for human consumption, I could not make out anywhere. In the later slaughter, this important, independent assessment by a veterinarian, for example to discard sick animals, is completely missing. An animal that looks like a chicken is obviously made into meat regardless of whether it is sick or already dead.

Slaughterings I have visited, even if no industry standard may be used as a comparison, lack animal welfare or basic hygiene principles. There also does not seem to be a uniform decomposition principle. It makes the impression on the viewer how the respective person gets to the meat, is ultimately up to them.

Much of the work is done on the floor, sometimes on the sidewalk next to the flowing traffic. The rooms used are small, cramped, insufficiently lit and often just dark. Slaughtered carcasses are stored warm and in large numbers on top of one another. Blood, feathers, offal and other slaughterhouse by-products in a colorful mess, that is almost always the picture to be found. Employees involved in the slaughter are often barefoot, at most they wear flip-flops. Work clothes often only consist of a loincloth and in no way contribute to bringing a little hygiene into the whole process.

I certainly could not have expected the usual protective clothing including suitable headgear, but a basic understanding of hygiene did. It is often not possible for employees to go to the toilet due to the lack of toilets. This has the consequence that the immediate surroundings are used to deal with the necessities. Washing hands: no evidence!

Work areas are used as living space and sleeping quarters after slaughter, which is also not conducive to the hygiene aspect.

All processing takes place without any cooling. A sensibly prescribed processing temperature of 4 degrees Celsius in Europe is intended to slow down a rapid increase in the number of spoilage pathogens. The slaughter temperature and the existing outside temperatures in India, often over 30 degrees Celsius, represent ideal growth conditions for these germs.

In summary, the areas of animal welfare, hygiene, but also occupational safety must be viewed as very critical. Environmental protection is completely absent when it comes to satisfying the hunger of the immense number of the population.

I do not want to simply criticize or condemn what I have found, the documentation certainly does not go deep enough for that. You should still point your finger at the depicted person

 

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